Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich diesen Artikel überhaupt schreiben möchte. Ganz ehrlich? Ich wollte (eigentlich) nur Artikel über Spiele schreiben, die mir gefallen. In die ich eintauchen kann, die ich genießen kann, und euch daran teilhaben lassen. Doch nachdem ich jetzt knappe 60 Stunden in “Bellwright” verbracht habe, und mir schlussendlich doch die Hutschnur geplatzt ist, bin ich davon überzeugt, dass es das Richtige ist, diesen Artikel zu verfassen.
Doch wie kam es eigentlich dazu, dass ich ein Spiel, das mich anfangs noch gut unterhalten hat, dann doch einfach fallengelassen habe nach so vielen Stunden? Das möchte ich euch in diesem Artikel gerne erklären. Fangen wir aber erstmal in gewohnter Reihenfolge an. Fertig? Also auf geht’s!
Story – Auf dem Papier gut, doch die Umsetzung?
Der Start des Spiels
Die Story sieht zumindest auf dem Papier vielversprechend aus. Die selbsterstellte Spielfigur wird des Mordes an einem Prinzen beschuldigt. Daraufhin zum Tode verurteilt, schafft es die Figur zu fliehen und fortan im Verborgenen zu leben. Sie überlebt einen Attentatsversuch und findet ein Schreiben, das Fragen aufwirft. Also entschließt die Figur sich, zurückzukehren und den Komplott hinter dem Mord aufzuklären.
Leider verläuft die Story sich durch die dröge Präsentation mit ein paar Textzeilen und teilweise durch AI vertonte Sprechzeilen im Nichts. In den 60 Spielstunden kam in mir kein Verlangen auf, diese zerstückelt eingebaute Geschichte zu verfolgen. Das lag vor allem daran, dass sie unter den zig stumpfen und sehr langweiligen Nebenquests einfach untergeht. Selbst Hauptmissionen sind oftmals nicht als solche zu erkennen, weil sie sich mit dem Einheitsbrei von “Bring mir 10 davon” oder “Baue 10 davon” untergehen. Zu denen komme ich aber später noch.
Grafik, Performance und Sound – Netter Ausblick mit Stottern und Ohrenbluten
Ein bisschen den Ausblick in die Ferne genießen
Lasst mich erstmal zu einem weiteren Punkt kommen, an dem ich gemischte Gefühle habe. Als ich das erste Mal das Spiel gestartet habe, wurde ich mit einer Ladezeit von kapp 3 Minuten begrüßt, bevor ich dann mit der selbsterstellten Figur in die Welt geworfen wurde. Die Grafik an sich ist … okay. Zumindest meiner Ansicht nach. Es gibt ein paar schön gestaltete Ecken, bei anderen habe ich das Gefühl, dass da eine AI am Werk war, vor allem, wenn ich mir anschaue, wo manche Bäume direkt auf Wegen stehen, oder Steine, die in Bäumen gespawnt wurden. Die Menschen in der Welt ähneln sich alle sehr stark und sehen recht gewöhnlich aus. Die Gesichter sind alle versteinert, die Animationen für gewisse Arbeiten und Bewegungsabläufe schauen sehr hölzern aus.
Eine wirklich schlimme Erfahrung kam aber durch die Performance. Ich weiß nicht, welcher Aspekt des Spiels meinem System so viel abverlangt hat, die Grafik kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Ich stocherte mit meinem System, das auch moderne Spiele noch sehr gut wiedergeben kann, bei 25-60 FPS herum, selbst mit den Hilfsfeatures meiner AMD Grafikkarte. Je länger die Session ging, desto schlimmer wurde es.
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Sound, denn der ist auch sehr gemischt. Viele Geräusche in diesem Spiel hören sich sehr nach Geräuschen aus einem Archiv an. Das bedeutet, alles kam mir bekannt vor und ich bekam grundsätzlich das Gefühl, die Geräusche schon in X anderen Spielen wahrgenommen zu haben. Zudem wurde sämtliche Vertonung durch AI generiert. Höchstwahrscheinlich auch die Formulierung der dazugehörigen Texte, denn alles klingt und liest sich sehr langweilig. Zumal manche NPCs noch eine kaputte Sprechzeile der AI bekommen haben, da diese sich wie Darth Vader in seinen schlimmsten Zeiten anhören.
Ich konnte jetzt auch leider nichts dazu entdecken, ob das nur für den Übergang sein soll und es später noch richtige Sprecher geben wird.
Gameplay – Willkommen im Grindchaos!
Jeder weiße Punkt bedeutet einen eigenen Bauschritt
Jetzt muss ich kurz meine Finger lockern, denn nun kommen wir zu dem Punkt, bei dem wirklich der Hase ganz tief im gammligen Pfeffer liegt; dem Gameplay.
Auf dem Papier klingt dieses nämlich recht ansprechend. Baue dein eigenes Dorf auf, heuere Mitarbeiter aus anderen Dörfern an, die in deiner Siedlung mitarbeiten. Bekämpfe Banditen und Briganten, beschütze andere Dörfer und freunde dich mit ihnen an um Handel zu betreiben.
Auch das Spiel selbst startet recht gut. Kurze Gespräche mit einem Dorfältesten, und schon wird man mitsamt eines kleinen Tutorials in die Welt entlassen. Kurz danach begibt sich der Spieler jedoch in eine unglaubliche Grindmühle. Grind gehört bedauerlicherweise zu manchem Spiel dazu, aber kennt ihr das Gefühl, wenn ihr etwas spielt, und das Game fühlt sich nach harter, unnachgiebiger Arbeit an? Genau so fühlte ich mich in “Bellwright”.
Das beginnt schon beim Sortieren des Inventars. Dieses ist zum Start noch recht mickrig, doch um die Situation noch zu erschweren, lässt sich nichts im Inventar stapeln. Das bedeutet, dass jede Blume, jeder Ast und jeder Stein einen eigenen Platz im Inventar einnehmen. Manche Gegenstände nehmen sogar mehr Platz in Anspruch. Zudem ist es nur manuell möglich, das Inventar zu sortieren, eine automatische Funktion gibt es dafür nicht. Später darf man sich zwar eine Tasche herstellen, doch viel mehr kann man dadurch auch nicht mitnehmen.
Das Herstellungsmenü beim Werkzeugmacher
Es gibt es eine Schnellreise. Das ist logisch, da die Laufwege, die ihr ohne jegliches Reittier zurücklegen müsst, immer und immer länger werden. Leider wurde sich für die Schnellreise ein unglaublich aufwändiges und in meinen Augen auch schlecht eingebautes System ausgedacht. Um diese Funktion nutzen zu können, müsst ihr Wegweiser bauen. Diese lassen sich jedoch ausschließlich an Straßen aufbauen, und auch nur dann, wenn ihr nicht gerade einen Schritt in das Gebiet eines anderen Dorfes gesetzt habt. Das bedeutet, ihr müsst noch immer sehr viel laufen, da die Wegweiser unmöglich weit vom eigentlichen Ziel entfernt gebaut werden müssen. In Gebieten von anderen Dörfern dürft ihr generell nichts machen. Keinen Baum fällen, keine Blume sammeln. Das wird direkt vom Spiel blockiert. Zudem fiel mir die Orientierung in der Spielwelt nicht leicht, da sich die nutzlose Minimap nicht mitdreht und Marker sich auf der Karte nur sporadisch auf festgelegte Icons setzen lassen. So sah ich mich gezwungen, alle paar Schritt auf die Map zu schauen, um sicherzustellen, dass ich mich noch auf dem richtigen Weg befinde und nicht zum dritten Mal am Lager vorbeilaufe.
Der nächste Punkt ist das Anheuern der neuen Dorfmitglieder. Dafür müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen braucht es die Währung “Renown”, also Bekanntheit. Um diese zu erlangen, müsst ihr Banditen erledigen und deren Lager auflösen, kleine Münzen an den Dorfvorsteher verschenken und unsäglich langweilige Quests abschließen. Langweilig deshalb, weil sie grundsätzlich daraus bestehen, eine gewisse Anzahl von Gegenständen zu sammeln, herzustellen oder zu töten. Sowas wie “Töte 5 Wölfe, bringe 5 Fälle” und so weiter. Manchmal wird auch versucht, etwas Abwechslung zu bringen, beispielsweise mit einer Begleitmission, die aber durch die unglaublich langweilige Präsentation und die unfassbar schlechte KI unter “nervig” abzuhaken ist. Viele Quests sind auch unlogisch. Beispielweise wird von euch verlangt, 5 Hanf zu liefern. 20 Meter weiter steht ein volles Hanffeld, doch wie schon erwähnt dürft ihr da nichts abbauen. Ihr sollt also jetzt irgendwo in der Welt 5 wilde Hanfpflanzen finden, während der NPC, der euch die Aufgabe gab, vor einem ganzen Feld davon steht.
Zudem müsst ihr auch einen gewissen Ruf im Dorf erreicht haben. Manche Begleiter lassen sich nur mitnehmen, wenn ihr beispielsweise “Freund des Dorfes” seid. Um den Stand im Dorf zu verbessern braucht es eine Menge Grind, eine Menge der Münzen und stundenlange Geduld.
Je mehr Bewohner ihr habt, desto teurer wird das Anheuern des nächsten. Das resultiert dann im stundenlangen Grind, möglichst viele Banditen zu erledigen und möglichst viele Ablauf-Quests abzuschließen, während ihr der Hoffnung seid, dass eure Bewohnerin eurer Siedlung arbeiten.
Die Weltkarte
Wo wir gerne bei KI sind, was machen denn nun die Dorfbewohner? Im besten Falle helfen sie dabei, die eigene Siedlung aufzubauen, Ressourcen zu sammeln und anzubauen sowie wichtige Dinge wie Erzbarren und Werkzeuge herzustellen. Dieser beste Fall ist nur leider so selten wie ein Gewinn in der Lotterie, denn die Intelligenz der NPCs ist noch unter “Brot” anzusiedeln. Die Wegfindung klappt in 2 von 100 Fällen, die meiste Zeit bleiben sie an imaginären Kanten hängen. Die Laufgeschwindigkeit lässt sich mit einer uralten Schildkröte vergleichen, denn bis ein NPC mal an seinem Ziel angekommen ist, dauert es gut und gerne mal einen ganzen Ingametag. Oftmals kommen die Figuren nicht mal mehr an ihrem Ziel an, sondern gehen dann einfach schlafen, wofür sie sich dann in ihr Haus teleportieren. Festgelegte Prioritäten für Arbeiten werden ignoriert, oder die Figuren können sich nicht entscheiden, was sie gerade lieber erledigen wollen und bleiben auf der Stelle stehen.
Was sie aber können ist essen. Oh meine Güte, die NPCs essen unrealistisch viel. Jeder NPC, sowie auch der Spieler selbst, haben 3 Slots für Essen. Während der Spieler essen muss, um mehr Gesundheit und Ausdauer aufrechtzuerhalten, die wieder wegfallen, sobald das Essen wohl “verdaut” wurde, müssen NPCs Nahrung zu sich nehmen, um glücklich zu bleiben. Sind sie nicht glücklich, arbeiten sie gar nicht mehr. Problematisch ist nur, dass die NPCs viel mehr Essen am Tag benötigen und kaum in der Lage sind, sich zu versorgen. Zumal Nahrung unglaublich schnell verdirbt. Ich habe einmal eine ganze Kiste mit Essen gefüllt, das waren 50 Rationen bei 4 Bewohnern. Und schon am nächsten Tag nach dem Aufstehen war kaum noch etwas vorhanden. Vieles wurde gegessen, vieles verdarb. Daher bestand der Großteil des Spiels aus Jagen, was an sich schon eine Zumutung war, wenn Tiere selbst 3 Pfeile mitten in den Kopf überleben und mit Speed über die halbe Karte laufen. Das Tier nicht mit dem ersten Schuss erledigt? Dann wird man es auch nie mehr wiederfinden.
Das Essen wird am Feuer zubereitet
Dazu kommen noch die Stufen in euren “Talenten”. NPCs und Spieler haben Talente, die sich in “Organisation” und “Kampf” aufteilen. Unter die Organisation fallen beispielsweise Dinge wie Herstellen, Sammeln, Jagen und Forschung. Unter Kampf finden sich Dinge wie Einhand, Zweihand, Schild und Bogen. Diese Talente levelt ihr auf, indem ihr sie ausführt. Tier erlegt? Etwas besser im Jagen werden. 1000 Seile hergestellt? Etwas besser im Herstellen werden. Das geht Anfangs noch ganz gut, doch schon nach dem ersten Aufstieg wendet sich das Blatt, der Fortschrittsbalken bewegt sich kaum noch. Es gibt auch Bücher, die ihr lesen könnt, um direkt ein paar XP in einem Talent zu bekommen, doch es dauert sehr lange, bis das Buch dann gelesen wurde. Das wird spätestens dann problematisch, wenn ihr etwas herstellen müsst, aber nicht die nötige Stufe im Crafting habt. Dann heißt es, dutzende Dinge manuell herzustellen und immer die 30 Sekunden bis 3 Minuten zu warten, bis etwas fertig ist und ihr vielleicht endlich die erforderliche Stufe erreicht. Und ja, manche Dinge brauchen bis zu 3 Minuten, bis sie hergestellt wurden, und ihr dürft in der Zeit nichts anderes machen und euch auch nicht vom Tisch wegbewegen.
Forschung dürft ihr als Spieler übrigens gar nicht betreiben. Ihr braucht einen Forschungstisch, die nötigen Materialien … und einen NPC, denn nur diese dürfen erforschen. Das wird ab dem Zeitpunkt schlimmer, wenn ihr für eine Forschung einen besseren Mitbewohner mit einer Spezialisierung braucht. Für den Werkzeugmacher braucht ihr beispielsweise einen Schmiedelehrling. Um an solche Mitbewohner zu kommen, müsst ihr aber in einem Dorf den Status “Beschützer” erlangt haben und die Briganten aus dem Dorf vertrieben haben, um es zu befreien. Sobald ihr damit anfangt, greifen ab da auch immer wieder starke Briganten an, die ihr abwehren müsst. Ansonsten wird das Dorf zerstört und ihr müsst von vorne anfangen. Gleichzeitig müsst ihr eure eigene Siedlung vor Banditen beschützen, die immer wieder Überfalle starten. Das kann man auch in den Optionen deaktivieren, aber ich denke nicht, dass das der richtige Weg ist, ein Feature weniger nervig zu gestalten.
Zudem benötigt ihr zum Bauen der Stufe 2 Gebäude einen Bauhammer. Fangt ihr mit dem Bau eines Gebäudes an, müsst ihr grundsätzlich alle Materialien zur Baustelle schaffen. Dann nehmt ihr den Hammer und seht viele kleine weiße Punkte vor euch. Jeder dieser Punkte ist ein kleiner Bauschritt. Und für jeden Bauschritt müsst ihr euch die immer gleich 10 Sekunden lange “Ich schlage mit dem Hammer in die Luft”-Animation ansehen. Manchmal registriert das Spiel auch euren Klick nicht richtig und bricht die Animation einfach ab. Sobald alle Punkte abgearbeitet sind … kommen die nächsten. Der Bau eines Gebäudes der Stufe 2 kann zwischen 10 und 20 Minuten betragen, in denen ihr nichts anderes macht, als diese Punkte anzuklicken.
Eines der wenigen Gebiete, die etwas interessanter sind
Manche Gebäude dürft ihr auch nur weiter außerhalb eurer Siedlung bauen. Nicht, weil sie gut für andere Dörfer wären, sondern weil ihr bei Ressourcengebäuden aufpassen müsst, wo die Vorkommen sind. So braucht ihr dann ein Abbaulager für Erze in eurem Dorf, weil es da ein Zinnvorkommen gibt, gleichzeitig müsst ihr aber weit außerhalb noch eines bauen, da es nur dort noch Kupfer gibt. Und nur mit beidem könnt ihr dann Bronzebarren herstellen. Ähnlich sieht es mit Jägern und Sammlern aus. Zusätzlich sind die Ressourcen nicht unerschöpflich. So seid ihr gezwungen, über gewisse Zeit hinweg immer wieder neue Vorkommen zu erschließen.
Um das alles zu bauen, müsst ihr viel Holz besorgen. Da wird unterschieden in Stämme, Zweige und Platten. Stämme bekommt ihr aus großen Bäumen, aber Zweige nur aus jungen Bäumen. Leider wachsen ausschließlich die jungen Bäume nach. Erst unglaublich spät im Forschungsbaum bekommt ihr einen Förster, der langsam wieder Bäume pflanzen darf. Ihr selbst dürft das gar nicht, obwohl ihr schon von Anfang an Baumsamen sammelt.
Zu guter Letzt noch ein Wort zum Kampfsystem. Das wurde sich von “Mount & Blade” geklaut. Heißt, ihr bewegt die Maus kurz in eine Richtung, und aus der schlagt ihr dann auch zu oder blockt den gegnerischen Angriff. Das ist in “Bellwright” aber alles andere als eingängig, denn oft erkennt das Spiel eure Angaben nicht richtig oder führt manche Angriffe gar nicht aus. Auch das Bogenschießen ist eine wahre Geduldsprobe, und alles hängt von eurer Ausdauer ab. Zu wenig Ausdauer, weil zu wenig Nahrung, bedeutet, dass ihr gerade mal einen Pfeil abfeuern dürft, bevor eure Figur komplett am Ende ist.
Fazit
So, ich denke, das wird nun gereicht haben. All diese Punkte (und sicherlich noch einige mehr, aber das sind die größten) haben dafür gesorgt, dass sich “Bellwright” von einem guten Spiel zu einem totalen Flop entwickelt hat. Ich habe dem Spiel gut 60 Stunden Zeit gegeben, immer in der Hoffnung, dass sich noch etwas zum Positiven ändert. Aber je weiter ich gekommen bin mit einem Freund, da wir es im Coop gespielt haben, desto mehr Steine wurden mir einfach in den Weg geworfen. Da es dem Freund auch so ging, haben wir beschlossen, das Spiel endgültig auf Eis zu legen.
Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit und hoffe, dass euch der Artikel gefallen hat!
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